Balkon mit Seeblick
Rede, gehalten von Katharina Hausel anläßlich der Vernissage
am 10.10.2009 in der Galerie Medial, Berlin |
In dem größten der großen
"Seestücke" mit dem kleinsten Titel "Du" wabert eine unregelmäßig
rund konturierte Gestalt auf einem aufgeklebten Papierstück, findet
zudem ein kleines Echo etwas tiefer. Links unten gibt es eine Freilassung
in der blau gemalten Fläche, die in Kreidezeichnung ausfranst.
Rechts oben drängt der pastose Farbauftrag wie eine Wolke nach
vorne. Daraus ergibt sich eine diagonale Verbindung von links unten
nach rechts oben. Nebenbei drängt sich der Eindruck des Vexierbildartigen
auf. Hinten links auf der tiefen Horizontlinie blinkt ein rotvioletter
Reflex wie ein fliegendes Fischchen und hält gleichzeitig die Ausgewogenheit
der Gesamtkomposition - so klein, dass man es kaum sieht, so mächtig,
dass es ohne gar nicht ginge.
Kennen Sie das "Unendliche Buch" von Walter Schmögner? Da schaut
man in einen Wassertropfen hinein, der immer größer zu sehen
ist, bis darin lauter Sterne auftauchen, der Blick immer näher
kommt auf einen Planeten, wo schließlich wieder ein einziger Wassertropfen
zu sehen ist, der bei näherer Betrachtung den Blick auf ein Universum
freigibt... unendlich.
Also: was ist groß, und was ist klein, und wie klein sind wir
in dem Ganzen? Wie relativ ist die Existenz zu begreifen? Und was steckt
noch alles dahinter, dass wir nicht zu erfassen vermögen? Das sind
Fragen, die auch Stephanie Krumbholz beschäftigen.
Dabei spielt in ihren Materialexperimenten und -assemblagen natürlich
der Zufall eine wichtige Rolle, und man könnte den Werkprozess
ebenso aus der Sicht automatischer Schreibweisen begreifen, ist er doch
stimmungsabhängig. Das Resultat versetzt wiederum die Rezipienten
in gewisse Stimmungen. Der Betrachter vervollständigt das Werk,
wie es auch Umberto Eco in seiner Abhandlung "Das offene Kunstwerk"
beschreibt.
Stephanie Krumbholz arbeitet, wie schon gesagt, frei. Ihre Werke bezeugen
eine gewisse Unabhängigkeit vom Kunstmarkt. Da sie sich nicht verkrampft
um Originalität bemüht, sondern stattdessen in ihrem Ausdruck
ehrlich ist, sind ihre Arbeiten authentisch. |